An das Empirica-Institut Berlin
im Rahmen unserer Bildungsreihe „Populäre Irrtümer über den Mietwohnungsbau“ möchten wir Sie auf einen Denkfehler in Ihrer Argumentation aufmerksam machen, die sich gegen die 50-Prozent-Quote für Sozialen Mietwohnungsbau richtet. So äußern Sie in Ihrem Interview vom 27. März in der Badischen Zeitung unter dem Titel „Eine Sozialquote ist Wahnsinn“ folgendes:
„Muss ein Investor diese Quote erfüllen, wird er die restlichen Wohnungen umso hochwertiger und teurer bauen, um am Ende eine angemessene Rendite erzielen zu können. Das mittlere Preissegment fällt weg. Junge Familien mit berufstätigen Eltern sind geradezu gezwungen, aus der Stadt zu ziehen.“
Dieselbe Argumentation zieht sich durch das jüngste Gutachten Ihres Empirica-Instituts. Auf dieses berief sich auch am 2.11.16 ein Stadtrat der Grünenfraktion, als er in einem Offenen Brief gegen die 50-Prozent-Quote im Baugebiet Dietenbach argumentierte. Wir sparen uns die Arbeit und zitieren unsere damalige Entgegnung vom 9.Dezember:
„…Zur inhaltlichen Begründung Ihrer Kritik an der 50%-Quote berufen Sie sich auf die ‚fachlich fundierten Empfehlungen ausgewiesener Wohnungsbauexperten‘ des Empirica Instituts vom 10.10.2016, das die Stadtverwaltung in Auftrag gegeben hatte. Darin wird die These aufgestellt:
‚Eine Quote von 50% im geförderten Mietwohnungsbau entzieht dem Stadtteil die untere Mittelschicht.‘
Als Begründung führt Empirica an:
‚Wohnungsbauinvestoren verzichten nicht auf Renditen, auch nicht als Folge städtebaulicher Verträge. Deswegen führen Auflagen wie der Bau sozialer Infrastruktur oder eine Mindestquote geförderter Wohnungen dazu, dass die frei errichteten Wohnungen umso höherwertig geplant und umso teurer vermarktet werden.‘
Wir als nicht ausgewiesene Wohnungsbauexperten haben uns erlaubt, selbst nachzudenken. Ergebnis: Dieser These und ihrer Begründung liegt ein Denkfehler zugrunde.
Es ist richtig: Wohnungsbauinvestoren verzichten nicht auf Renditen (jedenfalls nicht freiwillig). Aber wenn das so ist, warum sollten sie im Falle fehlender Auflagen und Mindestquoten nicht bei allen Wohnungen maximale Rendite erzielen wollen? Und sämtliche Wohnungen eines Gebäudes höherwertig bauen und so teuer vermieten, wie es der Markt hergibt?
Warum sollte ein Gewinn orientierter Wohnungsbauinvestor auf Renditen verzichten und aus Nettigkeit an ‚untere-Mittelschicht-Familien‘ günstiger vermieten als an betuchtere Wohnungsbewerber? Warum sollte der nette Investor weniger Miete verlangen als der weniger nette Markt-Konkurrent vom Neubauprojekt auf dem Nachbargrundstück?
Wir haben sie gesucht, diese Angebote von günstigen, frei finanzierten Mietwohnungen, beispielsweise auf den quotenfreien Baugrundstücken des boomenden Neubauviertels Güterbahnhof-Nord. Hier jedenfalls sind sie nicht zu finden. Aber vielleicht haben sie sich verschämt hinter den hochpreisigen Angeboten mit 15 oder 16 €/m² Kaltmiete versteckt? Oder wir haben sie bei den zahlreichen Angeboten von Eigentumswohnungen zum bescheidenen Kaufpreis um die 4.950 €/m² einfach übersehen? Vielleicht weiß der Verfasser der Empirica-Studie, wo denn diese frei finanzierten, bezahlbaren und quotenfreien Mietwohnungen gebaut werden?“
Sehr geehrter Herr Braun, wir schlagen Ihnen folgendes vor: Wir bitten Sie – ganz im Sinne des Namens Ihres Instituts Empirica – empirisch zu belegen, wo denn auf quotenfreien Grundstücken in Freiburg Mietwohnungen im „mittleren Preissegment“ gebaut werden, die eine nennenswerte Preisdifferenz zu den üblichen hochpreisigen Marktmieten um die 15 €/m² aufweisen und die für junge Familien mit berufstätigen Eltern noch bezahlbar sind?
Mit freundlichen Grüßen
für den Bauverein „Wem gehört die Stadt?
Zur Kenntnis an:
Stadt Freiburg, Fraktionen des Gemeinderates und Bürgermeisteramt, Lokale Presse, Recht-auf-Stadt-Netzwerk und andere wohnungspolitische Gruppierungen