Hier unsere Rede zur Demo “Keine Profite mit der Miete!” am 28.09.2013
Direkt neben Freiburgs neuem Baugebiet Gutleutmatten, gegenüber der BZ an der Basler Straße, zwischen Eschholzstraße und der Bahnlinie, befindet sich die Straße „Am Radacker“. Sie hat ihren Namen nicht daher, dass jahrhundertelang an der Straße nach Basel die schweren Fuhrwerke der Kaufleute oder die Ochsenkarren der Bauern ihre Räder in den Acker eingegraben haben.Nein, anders als die Einfamilienhausbebauung suggeriert, ging es hier alles andere als heimelig zu: Der Radacker war die Hinrichtungsstätte Freiburgs. Hier wurden in vergangenen Jahrhunderten die zum Tode Verurteilten „auf das Rad geflochten“, d.h. bestialisch gefoltert, und anschließend je nach Urteil enthauptet, aufgehängt oder verbrannt.
Letzteres Schicksal betraf vor allem Frauen, denen als vermeintlichen Hexen der Prozess gemacht und die angeblich – Zitat – des „abscheulichen Lasters der Zauber- und Hexerei“ überführt worden waren. (Das ist ein Zitat aus einem Freiburger „Rechtsgutachten“ von 1603)
Die Schreie der Opfer von damals sind längst verhallt, am Radacker quietschen heute die Räder der Stadtbahnlinie Nr. 5 Richtung Rieselfeld in der Kurve. Vorbei geht es weiter zu den Gutleutmatten. Wahrlich keine gehobene Wohngegend war das damals. In nächster Nachbarschaft zur Richtstätte befand sich das sogenannte Gutleuthaus. Dorthin wurden im Mittelalter die Leprakranken, die auch Aussätzige oder Gutleut genannt wurden, verbannt, wo sie von barmherzigen Schwestern gepflegt wurden.
Heute gibt es keine Todesstrafe mehr, die Lepra-Krankheit ist in Europa ausgerottet, und für das Landgericht Freiburg sind Hexerei und Zauberei kein Thema mehr. Aber – ihr werdet es kaum glauben – ausgerechnet hier auf den Gutleutmatten ward ein echter Zauberer gesichtet. Kein Schauspieler des Stadttheaters wie bei den Events im Sommer auf den Gutleutmatten, der etwa in der Rolle des Zauberer Zacharias Zwackelmann aus dem Stück vom Räuber Hotzenplotz auftrat, nein:
Unser Zauberer ist echt. Sein Auftritt war beim ersten Spatenstich für Freiburgs neuen Stadtteil am Morgen des 24. Juli, wo er sachkundig und wohlwollend die rumpelnden Baggerversuche des Oberbürgermeisters beobachtete. Er ist im Nebenerwerb Chef der Freiburger Stadtbau. Er heißt nicht Zwackelmann, sondern Klausmann, obwohl er öfters für die MieterInnen der Stadtbau den Zwackelmann gibt. Besonders bei Mieterhöhungen. Darüber ist er sehr unglücklich.
Denn er ist noch Zauberlehrling und als solcher arg bemüht, ein guter Zauberer zu sein: Deshalb will er viele, viele Neubauwohnungen auf die Gutleutmatten hinzaubern. Damit die vielen, armen Leute wieder ein Dach über dem Kopf bekommen, das sie bezahlen können; die von bösen, habgierigen Haus- und Grundbesitzern aus ihren Wohnungen in den anderen Stadtteilen verdrängt wurden. So hat er eine stadtbekannte neue Zauberrezeptur entwickelt, mit der er all die die Obersten Bestimmer und Bestimmerinnen des Städtchens Freiburg überzeugen konnte.
Das ist das Rezept: Er lässt die Mieten in den vielen Altbauwohnungen der Stadtbau regelmäßig hochsetzen: So wie aktuell bei 3.500 Wohnungen im Freiburger Westen. Bis das Niveau des Freiburger Mietspiegels erreicht wird (der dann alle Jahre wieder kräftig angehoben wird). Mit diesen satten Mehreinnahmen gewinnt er Eigenkapital, um neuen Wohnraum zu errichten. So einfach ist das zaubern.
So können Mieter in den Altbauwohnungen ganz beruhigt ihren eigenen Mieterhöhungen zustimmen, denn sie wissen: Damit werden doch genau die Wohnungen errichtet, in die sie umziehen dürfen, wenn sie die Mieten in den Altbauvierteln nicht mehr zahlen können. – Ein wahrlich zauberhaftes Modell.
Kein Wunder, dass unser Zauberlehrling Klausmann seit Jahren gegen Mietenstopp oder die Verlängerung der sozialen Bindungsfristen ankämpft.
Denn dadurch, so sein O-Ton zum Handlungsprogramm Wohnen, würden „der Stadtbau Verluste in Form entgangener Mieteinnahmen entstehen. Ohne eine Anpassung der Mieten an den Mietspiegel aber könne kein dringend benötigter zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden.“ Zitat Ende.
Zusätzlicher Wohnraum, der ja nun in der Tat dringend benötigt wird, um diejenigen Haushalte unterzubringen, die nun die Miete nicht mehr zahlen können und verdrängt werden. Zum Beispiel aus Haslach oder Weingarten. Aber auch aus den nicht mehr ganz so neuen Baugebieten Rieselfeld und Vauban, die schon jetzt zu den teuersten Vierteln Freiburgs gehören und deren Sozialwohnungen zunehmend aus der Bindung fallen.
Doch unangefochten von kleinlicher Kritik hat unser Zauberlehrling Klausmann seine Aufgabe erfüllt: Er kann neue Wohnungen in gewünschter Zahl bauen, für die vielen, armen Menschen, die die Mieten in den Altbauvierteln nicht mehr zahlen können, auch die Mieten der Stadtbau. So kann er Tag für Tag in seinem Zauberschloss am Karlsplatz reinen Herzens in den Miet- und Zauberspiegel schauen und fragen:
Mietspieglein, Mietspieglein an der Wand, wer ist der teuerste Vermieter im Land? Und sich jeden Morgen die Antwort erhalten:
„Herr Zauberer Klausmann, ihr seid sehr teuer hier. Aber die Kollegen Sauer, Kleinert und Unmüssig sind immer noch teurer wie ihr.“
Bei so viel wirklich tollen Zauberstücken aus der Rezeptküche des Neoliberalismus ist es keine Frage: Wollen wir weiterhin die Hälfte unseres Einkommens für die Miete zahlen müssen? Tendenz unaufhaltsam steigend, wie der Meeresspiegel? – Nein. Wollen wir weiterhin von einem Stadtviertel in das nächste verdrängt werden, weil wir die Miete nicht mehr zahlen können? – Nein. Wie wollen wir in Zukunft Wohnen? Wie könnte eine durchgehend soziale Freiburger Stadtbau aussehen? Wie soziale Wohnungsunternehmen und Genossenschaften? Welche Handlungsmöglichkeiten können wir in den neuen und alten Baugebieten entwickeln, die der sogenannten „Generierung von Eigenkapital“ à la Klausmann durch Mieterhöhung und Privatisierung von Altbaubeständen einen Riegel vorschieben.
Wir wollen die Stadt nicht diesen Investoren überlassen – und die Häuser dem Markt entziehen. Auf jeden Fall den Miet- und Zauberspiegel abhängen. Oder besser einschmeißen!