An die Mitglieder des Freiburger Gemeinderates und die Stadtverwaltung
An die Freiburger Presse
Sehr geehrte Damen und Herren,
„EU-Verfahren läuft – Häuslebauer müssen um ‚Einheimischenmodelle‘ zittern“.
So titelte FOCUS-online am 8. Mai 2013 anlässlich einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg über die sogenannten „Einheimischenmodelle“.
Lustigerweise begründet die Freiburger Stadtverwaltung jetzt mit genau diesen „Einheimischenmodellen“ (bzw. der bisherigen deutschen Rechtsprechung dazu) ihre Weigerung, Wohnprojekte des Mietshäuser Syndikats (und die eventuell anderer Kleingenossenschaften) als „Baugemeinschaften“ anzuerkennen. Diese genießen eine bevorzugte Behandlung gegenüber sonstigen Bauträgern, die aber nur den eigentumsorientierten Baugruppen vorbehalten sein soll. So jedenfalls sieht es das Vermarktungskonzept Gutleutmatten vor, das am 23. Juli vom Gemeinderat verabschiedet werden soll.
Dabei geht es um die Möglichkeit, sich im neuen Baugebiet auf die nur für Baugemeinschaften reservierten 30 % der Flächen bewerben zu können. Diese weisen Grundstücke mit Gebäudetypen aus, die besonders auf Baugemeinschaften zugeschnitten sind, sowohl von der Lage her als auch von der Größe (mit jeweils ca. 10-12 Wohnungen auf etwa 1000 m² Wohnfläche). Außerdem werden Baugemeinschaften deutlich längere Kaufoptionsfristen (6-10 Monate) zugestanden (wie sie selbstverständlich auch von selbstorganisierten Mietshausprojekten benötigt werden).
Laut Freiburger Stadtverwaltung sei die Bevorzugung von Baugemeinschaften nur für die Grundstücksvergabe an eigentumsorientierte Baugruppen zulässig, da sie auf die Förderung der kostengünstigen Bildung von Wohnungseigentum Ortsansässiger abziele. Das sei von der Rechtsprechung anerkannt, hingegen sei eine Vergabe an selbstorganisierte Mietshausprojekte nicht als Maßnahme zur Eigentumsbildung anzusehen und berge erhebliche rechtliche Risiken.
Im Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 8.5.2013 (Aktenzeichen C-197/11) wird jedoch eine ähnlich gelagerte pauschale Bevorzugung des Eigentumserwerbes Ortsansässiger durch ein flämisches Dekret in Belgien als Verstoß gegen die Rechte anderer EU-Bürger untersagt.
„Das Gericht erklärte aber auch, dass soziale Kriterien, die darauf zielen, die Wohnbedürfnisse der ärmeren Bevölkerung zu sichern, nach dem EU-Recht für den Wohnungsbau in den Kommunen ausdrücklich erlaubt seien.“ So formuliert es die Verlautbarung der Europäischen Kommission vom 8.5.2013 unter der Überschrift:
„Europäische Kommission begrüßt Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union in Luxemburg zu den so genannten Einheimischenmodellen.“
Im Einzelnen stellte der EuGH fest, dass die Kriterien des flandrischen Dekrets nicht dem
„geltend gemachten Ziel entsprechen, ausschließlich die am wenigsten begüterte einheimische Bevölkerung auf dem Immobilienmarkt zu schützen. (Denn) solche Bedingungen können nicht nur von dieser am wenigsten begüterten Bevölkerung erfüllt werden, sondern auch von anderen Personen, die über ausreichende Mittel verfügen und folglich keinen besonderen Bedarf an sozialem Schutz auf dem Immobilienmarkt haben.“
Außerdem wären andere Maßnahmen geeignet, so der Gerichtshof, um die vorgegebenen Ziele zu erreichen:
„Vorstellbar wären z.B. Kaufprämien oder sonstige speziell zugunsten der am wenigsten begüterten Personen konzipierte Arten von Beihilfen, um insbesondere denjenigen, die ein schwaches Einkommen nachweisen können, den Kauf oder die Miete von Liegenschaften in den Zielgemeinden zu ermöglichen.“
Wir weisen darauf hin, dass im EuGH-Urteil an dieser und anderen Stellen ausdrücklich von Eigentum und MIETE die Rede ist.
Wir weisen des weiteren darauf hin, dass bereits 2007 und nochmal 2009 die Europäische Kommission aufgrund von Einheimischenmodellen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat, dass jedoch ruht, um das Urteil im Verfahren gegen die Flämische Regierung abzuwarten.
Wir fordern von der Stadtverwaltung, noch vor der Gemeinderatsentscheidung am 23. Juli beim Vermarktungskonzept Gutleutmatten die diskriminierenden Passagen über Mietshausprojekte zu entfernen und diese als Baugemeinschaften anzuerkennen.
Wenn wir das Urteil richtig verstehen, müssten die Bedingungen im Bereich der Baugemeinschaften auf Gutleutmatten generell so gestaltet werden, dass sie dem Schlusstenor des EuGH-Urteils nachkommen, d.h.
„…dass diese Regelung für die Erreichung des Ziels, ein ausreichendes Wohnangebot für einkommensschwache Personen oder andere benachteiligte Gruppen der örtlichen Bevölkerung sicher zu stellen, erforderlich und angemessen ist.“
Mit freundlichen Grüßen
BAUVEREIN „Wem gehört die Stadt“
Wohnungspolitische Initiative im Mietshäuser Syndikat
Im Auftrag
Helma Haselberger, Stefan Rost
Links:
Presseerklärung der Europäischen Kommision
http://ec.europa.eu/deutschland/press/pr_releases/11371_de.htm
Urteil des EuGH
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=137306&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=2135945
FOCUS online
http://www.focus.de/immobilien/kaufen/eu-verfahren-laeuft-haeuslebauer-muessen-um-einheimischenmodell-zittern_aid_984465.html