Offener Brief an die Stadt Freiburg – Gemeinderat und Stadtverwaltung

An die Stadt Freiburg – Gemeinderat und Stadtverwaltung

Transparenz in die wirtschaftlichen Abläufe der Freiburger Stadtbau und Keine Verkäufe von Wohnungen!

Offener Brief an die Stadt Freiburg – Gemeinderat und Stadtverwaltung

Sehr geehrte Damen und Herren,
die Mieterhöhung in rund 1200 Wohnungen in Weingarten-West, die der Freiburger Stadtbau GmbH (FSB) gehören, ist beschlossen. Begründet wurde sie in der Öffentlichkeit erstens mit dem Wegfall der Sozialbindung und Anpassung an den Mietspiegel, zweitens mit energetischer Modernisierung (Wärmedämmung) und drittens – darauf wollen wir hier eingehen – mit der jahrzehntelang unterlassenen Instandhaltung, angeblich wegen zu niedriger Mieten:

„…klar ist auch, dass die Wohnungen gerade deshalb in schlechtem Zustand sind, weil die Stadtbau jahrzehntelang zu niedrige Mieten verlangt hat und deshalb ihren Bestand nicht so in Schuss halten konnte, wie es nötig gewesen wäre.“ (BZ vom 15.5.07)

Das klingt halbwegs plausibel, aber – hat jemand diese Behauptung geprüft und eigenhändig nachgerechnet? Hat die Stadtbau dem Gemeinderat eine Zahlenaufstellung vorgelegt, wieviel im Wirtschaftsplan der vergangenen Jahre jeweils als Pauschalbetrag für ordnungsgemäße Instandhaltung in die Mieten der einzelnen Wohnungen einkalkuliert wurde? Und wieviel dann tatsächlich investiert worden ist?
In der Vorlage zur Mieterhöhung G-07/105 für die Sitzung des Gemeinderates am 15.5.07 werden umfangreiche bauliche Mängel der Wohngebäude eingeräumt, es findet sich aber nur eine einzige Zahlenangabe über Instandhaltungsaufwendungen:

„Die Instandhaltungsmaßnahmen, die in den achtziger Jahren durchgeführt wurden, beschränkten sich im Wesentlichen auf die Fassaden (Anstrich mit Betonsanierung), teilweise wurden auch die Eingangs- und Erdgeschossbereiche verbessert. Im Rahmen einer umfassenden Mängelbeseitigung wurden im Jahre 2004 Mängel im Innenbereich der Wohnungen beseitigt. Der Investitionsaufwand lag damals bei 350.000 €.“

Eine überschlägige Berechnung anhand der Angaben über Wohnflächen (88.500 m²) und Durchschnittsmieten aus der Stadtbau-Vorlage ergibt für das Jahr 2003, in dem die Belegungs- und Mietpreisbindung endete, und für das Jahr 2004 folgende Mieterträge (Grundmiete ohne Nebenkosten):

Jahr Durchschn. Miete
je m²
monatl. Mieteinnahmen jährliche
Mieteinnahmen
Davon 10% f.
Inst.haltg.
2003 3,03 € 268.000 € 3.218.000 € 321.800 €
2004 3,53 € 312.000 € 3.749.000 € 374.900 €

Jeder Häuslebauer, jede Wohnungseigentümerin weiß, dass die Mieteinnahmen nicht 100% für Kapitalzinsen und Tilgung verwendet werden dürfen: Ein Teil muss für laufende Bewirtschaftungskosten wie Verwaltung und Instandhaltung eingerechnet werden. Das gilt erst recht für die geförderten Stadtbau-Wohnungen in Weingarten-West, bei denen die L-Bank die Wirtschaftspläne nur mit ausgewiesener Instandhaltungspauschale genehmigt hat; und bei denen obendrein seit vielen Jahren kaum noch Kreditzinsen bezahlt werden mussten. Wenn wir wie in der letzten Spalte der Tabelle (nur) 10 % der Grundmiete als durchschnittlichen jährlichen Anteil für ordnungsgemäße Instandhaltung kalkulieren, kommen wir zum Ergebnis: Die einzige in der Stadtbau-Vorlage erwähnte und bezifferte „umfassende Mängelbeseitigung“ seit den 80er Jahren in 2004 bewegt sich mit 350.000 € Kosten gerade mal in der Größenordnung der Instandhaltungspauschale eines einzigen Jahres!

Wohin sind die kalkulierten Mietanteile für Instandhaltung der Jahre vor und nach 2004 geflossen? Seit Bezug der Wohnungen in den 60er Jahren, also über vier Jahrzehnte, haben sie sich inklusive Zinsen zu einem zweistelligen Millionenbetrag auf summiert. Da kann schon mal der Überblick verloren gehen und erst recht die Transparenz. Deshalb bitten wir die Mitglieder des Gemeinderates und des Aufsichtsrates des Freiburger Stadtbau, die Wirtschaftspläne der Wohnungen in Weingarten-West offen zu legen und Auskunft zu geben, wohin die Gelder geflossen sind und warum ausgerechnet bei der Instandhaltung „eingespart“ wurde.

Denn mit dem großen Sanierungsbedarf in Weingarten-West werden nicht nur die aktuellen Mieterhöhungen begründet, sondern auch umfangreiche Wohnungsverkäufe, die nach Ablauf der Sperrfrist des Bürgerentscheides Ende 2009 geplant sind. Im Amtsblatt vom 17.2.07 veröffentlichte die Fraktion der Grünen ihre „Ziele für die Stadtbau GmbH“ und schrieb unter Punkt 4 Sanierung Weingarten-West:

„Ab 2010 soll ein Teil des zur Sanierung erforderlichen Eigenkapitals durch Wohnungsverkäufe refinanziert werden.“

Insgesamt wollen die Grünen ab 2010 etwa 2000 Wohnungen verkaufen, das sind rund ein Viertel des Bestandes der Stadtbau (7900 Wohnungen). Ähnliche „Master“-Pläne verfolgt auch die CDU. Einen überprüfbaren rechnerischen Nachweis, warum die notwendigen Sanierungsmaßnahmen im Bestand der Stadtbau ohne Wohnungsverkäufe nicht finanzierbar sein sollen, haben wir allerdings bis heute nicht gesehen; hätten wir aber gern. Deshalb bitten wir die Fraktionen der Grünen und der CDU um die Offenlegung ihrer Kalkulationen, damit wir uns selbst ein Bild machen und Alternativen zum Wohnungsverkauf erarbeiten können.

Denn wie wir den Mitgliedern des Gemeinderats und der Stadtverwaltung mehrfach mitgeteilt haben, plant unsere Initiative mit hoffentlich breiter Bürgerbeteiligung ein Unternehmen zu gründen, die „Wohnraum für Alle (WfA) GmbH“. Sie soll nach dem Ablauf der Sperrfrist des Bürgerentscheides Ende 2009 Anteile an der Stadtbau übernehmen und einen Beitrag zur Entschuldung der Stadt leisten. Als Mitgesellschafter soll die WfA GmbH Transparenz in die wirtschaftlichen Abläufe bringen, Bürgerbeteiligung möglich machen und auf eine soziale Ausrichtung der Stadtbau hin wirken. Vor allem aber soll sie den Bestand an preisgünstigem Mietwohnraum erhalten und Alternativen zu Privatisierungsplänen ermöglichen.

Die Ziele und das Konzept der „Wohnraum für Alle GmbH“ werden wir am Mittwoch, dem 20.6.07 um 20.00 Uhr auf einer Diskussionsveranstaltung im „Vorderhaus“ in Freiburg,  Habsburgerstr. 9 vorstellen, zu der wir alle Interessierten herzlich einladen.

Mit freundlichen Grüßen – Initiative Wohnraum für ALLE