Freiburg, 26.7.2021
An alle Fraktionsvorsitzenden und Mitglieder des Gemeinderats der Stadt Freiburg i.Br.
Sehr geehrte Damen und Herren,
die unterzeichnenden Vereine, Genossenschaften, Baugruppen und Organisationen lehnen die vorliegende Beschlussvorlage zur Umsetzung der favorisierten Variante 4 aus folgenden Gründen ab: Das Konzept sichert keine klimaneutrale Energieversorgung, verhindert die kostenfreie Sommerkühlung, zementiert auf Jahrzehnte monopolistische Versorgungsstrukturen, verhindert aktive Gestaltungs- und Beteiligungsmöglichkeiten, Innovationen und Wettbewerb und birgt hohe Kostenrisiken.
Deshalb fordern wir die Mitglieder des Gemeinderats auf:
lehnen Sie die Beschlussfassung der vorliegenden Variante 4 ab,
fordern Sie ein Energiekonzept, das tatsächlich eine klimaneutrale Energieversorgung sicherstellt,
fordern Sie einen anderen Standort für die Elektrolyse, wo der Wasserstoff sinnvoll genutzt werden kann,
fordern Sie ein Energiekonzept, das den Dietenbacher Bürger:innen Kühlungsmöglichkeiten ihrer Räume ermöglicht – ohne Investitionen in teure Klimaanlagen,
verhindern Sie die Zementierung von monopolitisches Versorgungsstrukturen für über 16.000 Freiburger Bürger:innen
fordern Sie stattdessen ein Energiekonzept, das die aktive Beteiligung der Dietenbacher Bürger:innen und der Wirtschaft in der Region Freiburg an der Energieversorgung mit Eigenverantwortung, Vielfalt, Wettbewerb und Innovationen ermöglicht.
Die wichtigsten Kritikpunkte:
1 Klimaneutralität wird verfehlt.
Der Wärmebedarf (52 GWh) wird nicht klimaneutral gedeckt, nur 56 % stammen aus lokalen Wärmequellen. 27 % hingegen werden durch Netzstrom erzeugt (Die Wärmepumpen erhalten keinen PV-Strom gemäß Energiebilanz!), 17 % durch Abwärme aus der Elektrolyse.
Der Strombedarf (50 GWh) wird nur zu ca. 77 % durch lokale PV-Erzeugung gedeckt, rund 23 % wird bilanziell aus dem Netz importiert.
Die Klimaneutralität der Variante 4 wird nur auf dem Papier dadurch erreicht, dass der aus Dietenbach exportierte Wasserstoff eine CO2-Gutschrift erhält für die Substitution von Diesel und grauem H2.
Die Gebäude selbst werden nicht klimaneutral versorgt. Damit wird eine der zentralen Forderungen für das Neubaugebiet verfehlt.
2 Wasserstoff bietet keine Vorteile für Dietenbacher Bürger:innen
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Erzeugung von grünem Wasserstoff mittels Elektrolyse ist sehr energieintensiv. Die entsprechenden Anlagen sollten daher dort installiert werden, wo bereits leistungsstarke Anschlüsse an das öffentliche Stromnetz vorhanden sind, es hohe Überschüsse an erneuerbaren Energien und gleichzeitig einen stofflichen Bedarf für H2 gibt.
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In Dietenbach ist davon nichts gegeben. 70 % des Strombedarfs für die Elektrolyse muss aus dem öffentlichen Netz bezogen werden, nur 30 % aus dem Stadtteil. Gleichzeitig darf für die Elektrolyse nur „Überschussstrom“ genutzt werden, der praktisch nichts kostet, sonst ist die Wasserstoffproduktion nicht wirtschaftlich. Das heißt, dass die Eigentümer:innen der PV-Anlagen rund 33 % ihrer Sonnenstromerzeugung praktisch verschenken sollen. Weiterhin hat der Wasserstoff in Dietenbach selbst keinerlei Anwendung, sondern soll im Verkehr oder in der Industrie genutzt werden.
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Weiterhin ist in dem Konzept völlig unklar, wie die Investitions- und Betriebskosten der Elektrolyse-Anlage finanziert werden sollen und ob überhaupt ein wirtschaftlicher Betrieb erreicht werden kann. Die Fördermittel sind nicht dargestellt, auch fehlen Angaben zu den Marktpreisen des benötigten Überschussstroms sowie Angaben zu dem geplanten Marktpreis des erzeugten Wasserstoffs. Fakt ist, dass heute angesichts der Energiewende weder die Strompreise noch die Wasserstoffpreise bis 2050 belastbar prognostiziert werden können.
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Weiterhin ist die Abwärmenutzung der Elektrolyse für eine klimaneutrale Wärmeversorgung von Dietenbach überhaupt nicht erforderlich! Grundwasser und Abwasserwärme bieten ein so großes Potential, dass alle Gebäude mit 100 % lokal verfügbarer Wärme für Jahrzehnte versorgt werden können – und zwar ohne Kostenrisiko!
Das heißt, dass die Bürger:innen von Dietenbach im Zweifel über ihre Wärmepreise ein sehr teures Experiment bezahlen, das für sie selbst keinerlei Vorteile bietet, sondern nur mit Kostenrisiken verbunden ist.
3 Natürliche Sommerkühlung der Gebäude wird verhindert, obwohl ausreichende Quellen vor Ort verfügbar sind
Vor Ort gibt es ausreichend kalte Wärmequellen (Grundwasser), die ohne Mehraufwand und ohne zusätzliche Kosten für die natürliche und sogar aktive Sommerkühlung aller Gebäude genutzt werden könnte. Hierfür müsste aber kalte Nahwärme an die Gebäude geführt werden. Bei der Variante 2 wäre dies möglich.
Die Variante 4, die aber ausschließlich zur Entscheidung vorgelegt wird, soll hingegen als heißes Wärmenetz ausgeführt werden. Eine Sommerkühlung ist damit nicht möglich.
Die Variante 4 verhindert die (kostenfreie) Sommerkühlung aller Gebäude, obwohl ausreichend kalte Quellen vor Ort verfügbar sind! Angesichts der letzten Hitzesommer muss allein wegen dieses Punktes das Energiekonzept abgelehnt werden, weil es die Anforderungen an die Klimafolgenanpassung schlicht ignoriert.
4 Aktive Gestaltungs- und Beteiligungsmöglichkeiten werden verhindert, stattdessen werden zentralistische Versorgungsmonopole auf Jahrzehnte zementiert.
Praktisch die gesamten Investitionskosten in Höhe von ca. 1,8 Mrd. € der Variante 4 fallen bei dem Wärmeversorger an, in den Gebäuden hingegen fast nichts.
Die Vergabe an einen Wärmeversorger erfolgt einmalig in einem Verfahren hinter verschlossenen Türen, auf das die künftigen Eigentümer und Nutzer keinerlei Einfluss haben.
Die Vergabemacht über die Investitionen liegt dann ausschließlich in einer Hand. Aufgrund der Anlagengröße im Megawatt-Bereich werde Anlagen und Komponenten größtenteils über nationale oder gar internationale Lieferanten bezogen. Die Wirtschaft in der Region Freiburg wird überwiegend leer ausgehen.
Die hohen Investitionskosten müssen über hohe Grundgebühren refinanziert werden. Deshalb ist die Variante 4 nur mit einem Anschlusszwang der Mieter und Eigentümer umsetzbar. Hocheffiziente Gebäuden haben keinen Vorteil, höhere Dämmstandards werden de facto bestraft.
Weiterhin ist die Variante 4 ist mit hohen Kostenrisiken verbunden. Der gesamte Wärmestrom für die zentralen Große-Wärmepumpen soll aus dem öffentlichen Netz bezogen werden. Die entsprechenden Preissteigerungsrisiken müssen die Bürger:innen tragen.
Jegliche Form von aktiver Partizipation und Bürgerbeteiligung an der Energieversorgung durch z.B. Bürgerenergiegenossenschaften, Betreibergemeinschaften auf Baufeldebene oder im Rahmen vom Mietshäuser-Syndikat werden dadurch verhindert.
16.000 Bürger:innen und der Wirtschaft in der Region Freiburg wird verwehrt, über 20 Jahren hinweg eigene, kreative und innovative Lösungen im Wettbewerb zu entwickeln und für ihre klimaneutrale Wärmeversorgung zu nutzen.
Die Variante 4 verhindert regionale Wertschöpfung, Wettbewerb, aktive Gestaltungs- und Beteiligungsmöglichkeiten sowie Innovationen für einen gesamten Stadtteil mit 16.000 Bürger:innen. Stattdessen wird ein zentralistisches Versorgungsmonopol auf Jahrzehnte hin zementiert.
Unterzeichner:
solargeno e.G., Freiburg https://www.solarbuergergenossenschaft.de
fesa e.V., Freiburg, www.fesa.de
Bauverein „Wem gehört die Stadt?“ e.V. https://www.wemgehoertdiestadt.org/
Projekte des Mietshäuser Syndikats auf der Wohnbaufläche „Stühlinger West“ mit den Projekten Groko, UP-Wohnen, EOS (Elinor-Ostrom-Siedlungsprojekt Nr.1), Birnbaum, Velohaven. http://kleineschholz-syndikat.org
Esche eG. https://esche-freiburg.de
AK Energie Gutleutmatten
Kontakt: Dr. Harald Schäffler, h.schaeffler@sinnogy.de, Mobil: 0172-8185843