23. Mai 2019 19:30 Uhr UNI Freiburg KG I Raum 1098
Frei, Fair und Lebendig.
Die subversive Kraft der Commons.
Silke Helfrich/ David Bollier, transcript Frühjahr 2019
Zusammen mit dem Arbeitskreis kritische Soziale Arbeit (aks) und der Grether ÖA
Dieses Buch macht Mut. Es vereint ein Denken in Beziehungen mit einer neuen Art zu handeln. Das Ziel: eine freie, faire und lebendige Gesellschaft. Doch das Gewohnte hat sich tief eingegraben in unseren Köpfen, in unserem Alltag, in Markt und Staat.
Silke Helfrich und David Bollier entwerfen dagegen ein Programm für ein gelingendes Miteinander, ein anderes Politikverständnis und ein sorgsames Wirtschaften. Im Mittelpunkt stehen dabei Commons-Praktiken. Sie zeigen, wie wir in Verschiedenheit gemeinsame Ziele verfolgen. Dabei können Häuser und Fahrzeuge in ähnlicher Weise wie ein Wiki entstehen. Das Buch stiftet an, wie ein »Commoner« zu denken. Es bietet eine Sprache für die Welt von morgen. Es verändert nicht nur die Wirtschaft und die Politik – es verändert uns.
Dieses Buch weist über eingefahrene Denk-, Sprech- und Handlungsweisen hinaus. Man könnte es als Verlern-Anleitung lesen.1 Wirtschaft ist nicht nur als Geldwirtschaft zu begreifen. „Unser Interesse“ nicht als Gegenpol zu „meinem Interesse“. Staat nicht als einzige Alternative zum Markt – um nur einige Beispiele zu nennen. Das ist nicht wenig, denn das Gewohnte hat sich hartnäckig in unserer Gegenwart festgebissen: in unseren Köpfen, in unserem Alltag, in den Sphären von Markt und (National-)Staat. Die AutorInnen plädieren für mehr Unabhängigkeit von beidem. Sie setzen auf ein „jenseits von Markt und Staat“. Wie sonst sollten wir dieser merkwürdigen Logik entkommen, nach der wir erst uns und unsere Umwelt erschöpfen, um anschließend beides wieder zu reparieren? Und dies nur damit sich das Hamsterrad weiter dreht. Wie soll unabhängiges privates und politisches Handeln möglich sein, wenn alles von Arbeitsplätzen, Börsennachrichten und dem Wettbewerbsgeschehen abhängt? Wie sollen wir zusammenleben, wenn die Grundmuster des Kapitalismus durch uns hindurch gehen und das Gemeinsame erodieren?
Das Programm also lautet: neue Denk-, Sprech- und Handlungsweisen jenseits von Markt und Staat in den Mittelpunkt zu rücken. Kurz: neue Lebensweisen. Doch wo beginnen? Die Antwort von Helfrich und Bollier: Wir kommen nicht umhin unser Weltverständnis aufzurollen: Menschenbild. Seinsidee und Handlungsrationalität. Wenn wir dies vom Kopf auf die Füße stellen, gestaltet sich alles daraus Folgende neu (vgl. Kapitel 2 und 3): unser Verständnis vom guten Leben, unser Miteinander, unsere Eigentumskonzeption, unser Wirtschaften, die Politik und nicht zuletzt wir selbst.
Wie aber vorgehen? Zahlreiche Projekte, Praktiken und Politiken legen nahe, auf die „subversive Kraft der Commons“ zu setzen. Das stiftet Sinn und Beziehung, lässt sich umsetzen und wirft zugleich die Verhältnisse um. Commons erfordern nicht nur eine andere Denk-, Sprech- und Handlungsweise, sie sind eine andere Denk-, Sprech- und Handlungsweise. Eben diese wird in den 10 Buchkapiteln vorgestellt. In einigen davon blicken die beiden Autor/innen weit zurück in die Geschichte (so in Kapitel 8 zum Eigentumsrecht). In anderen verdeutlichen sie, wie aus einem relationalen Seinsverständnis neue Begriffe und aus diesen ein zukunftsfähiges Eigentums- und Politikverständnis hervorgeht (Kapitel 9 und 10). Ausflüge in verschiedene Kulturen und Praktiken – analog und digital, rurban und glokal – machen das Buch zu einer Reise durch die Welt der Commons. Im Text wimmeln die Ideen, Geschichten und Konzepte, die Commons lebendig machen. Denn: Commons sind nicht, sie werden gemacht.
Wie nun Commons „gemacht werden“ ist Herzstück des Buches, wenngleich nicht sein Fundament. In den Kapiteln 4, 5 und 6 wird systematisch beschrieben, wie sich die Welt der Commons lebt und anfühlt (Kultur der Commons), wie sie „sich regiert“ (Peer Governance) und wie ein Wirtschaften aussieht, das Commons statt Waren produziert. Kurz, es wird die Frage beantwortet, ob auch Häuser und Fahrzeuge gebaut werden können wie die Wikipedia. Und wenn ja, was das bedeutet.
Das Buch stiftet an, es den Commoners dieser Welt gleich zu tun. Das verändert nicht nur die Wirtschaft und die Politik. Es verändert uns. Der homo oeconomicus wird sich einen anderen Platz in der Geschichte suchen müssen.