Sehr geehrter Herr Mauch,
da haben sie Recht:
„Wichtiger als die Frage, wer baut, ist die Vorgabe, günstigen Wohnraum zu schaffen. Und wichtiger als kurzfristige politische Effekte sind nachhaltige Ergebnisse.“
Was Sie in Ihrem Kommentar „Wo ist die Grenze?“ allerdings übersehen: Es besteht durchaus ein Zusammenhang zwischen der Frage, „wer baut?“ und der Frage, wie „nachhaltige Ergebnisse“ erreicht werden können. Das hängt allerdings vom Blickwinkel und dem Verständnis von Nachhaltigkeit ab: Für uns sind Wohnungsbestände nachhaltig, die nicht nur bezahlbar sind, sondern die auch bezahlbar bleiben! Die also nicht nur während der Jahre der Sozialbindung als geförderten Wohnungen bezahlbar sind, sondern auch nach Ende der Bindungsfrist bezahlbar bleiben für zukünftige Generationen:
„Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die gewährt, dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen als gegenwärtig lebende.“ (UN-Brundtland-Kommission, 1987)
Das gilt umso mehr, wenn für den notwendigen Wohnungsneubau in großem Umfang naturnahe Flächen wie die Wiesen und Äcker des Dietenbachgeländes oder die Kleingärten von Stühlinger-West für unabsehbar lange Zeiträume bebaut werden.
Kein gutes Beispiel für eine nachhaltige Entwicklung ist das benachbarte Rieselfeld. Denn wie die amtliche Grafik zeigt (siehe unten), ist im Rieselfeld der Anteil der geförderten Mietwohnungen von geplanten 50 % etwa 20 Jahre später auf 5 % gefallen, während der Anteil der Eigentumswohnungen von geplanten 25 % auf 75 % angestiegen ist! Der gleiche Verdrängungsprozess hat auch im Vauban stattgefunden. Beide ehemaligen Neubaugebiete haben aktuell die teuersten Mieten Freiburgs, so hoch wie im Nobelstadtteil Herdern.
Sie lassen in Ihrem Artikel „Horn irritiert die Bauwirtschaft“ einzelne Vertreter der Wohnungswirtschaft zu Worte kommen: Haben Sie die Herren Gisinger auch gefragt, wo die „vielen Sozialwohnungen“ in Freiburg zu finden sind, die das „alteingesessene Familienunternehmen“ in den vergangenen 60 Jahren errichtet hat und wie hoch dort die Mieten sind? Das wüssten wir gerne. Könnte es sein, dass diese nach und nach in Eigentumswohnungen umgewandelt, entmietet und entsprechend teuer verkauft wurden? Ja, die Fa. Gisinger zieht in beeindruckendem Umfang Neubauprojekte hoch: laut Homepage allerdings ausschließlich Eigentumswohnungen, z.B. in der „Habsburger Mitte“ in Herdern zum schlappen Preis von 6.500 €/m² (BZ 7.3.2017).
Ähnlich beeindruckend sieht die langjährige Bilanz Ihres anderen Gesprächspartners aus: Herr Kleiner konnte mit seiner Südwestdeutschen Bau-Union GmbH Hunderte preisgünstiger Mietwohnungen vom Staat zum Schnäppchenpreis erstehen, insbesondere im Quartier westlich der Merzhauser Straße, und sie gemeinsam mit Geschäftspartner Sauer Immobilien GmbH Haus für Haus gründlich entmieten, „aufwerten“ und als teure Eigentumswohnungen vermarkten.
Von diesen exemplarisch beschriebenen Geschäftsmodellen der Freiburger Immobilienwirtschaft sind die traditionellen Großgenossenschaften mit ihren sehr umfangreichen Mietwohnungsbeständen und meist moderaten Mieten meilenweit entfernt (trotz kritischer Entwicklungen wie z.B. in der Quäkerstraße der Familienheim eG oder im Uni-Carré des Bauvereins Breisgau eG).
Erst recht gilt das für die weniger bekannten jüngeren (Klein-)Genossenschaften Genova eG, Vaubanaise eG und Oekogeno Hausgenossenschaft eG sowie andere genossenschaftlich organisierte Unternehmen wie die Projekte des Mietshäuser Syndikats, die ihre Mietwohnungsbestände satzungsgemäß erhalten statt abzubauen.
„Wo verläuft die Grenze?“ fragen Sie. Der Unterschied zu Bauprojekten der „freien Wohnungsunternehmen“ Gisinger, Bau-Union/Sauer & Co. liegt auf der Hand: Die Häuser und Wohnungen werden nicht an renditeorientierte KapitalanlegerInnen verkauft, sondern bleiben im Eigentum der genossenschaftlichen Unternehmung, deren Anteilseigner wiederum die MieterInnen sind. Das Kriterium „selbstnutzend“ lässt sich zur Abgrenzung juristisch einwandfrei fassen; es wird übrigens auch bei privateigentumsorientierten Baugruppen verwendet und taugt möglicherweise besser als das plakative Etikett „nicht profitorientiert“.
Bleibt die Frage Ihres Kommentars,
„… ob das große Volumen ohne profitorientierte Unternehmen machbar ist? Schließlich soll es schnell gehen, denn sonst leiden weniger die gewinnorientierten Unternehmen, als die vielen Wohnungssuchenden.“
Das will niemand. Wenn aber bezahlbare Mietwohnungen in nachhaltiger Weise nur von genossenschaftlichen Unternehmen (und der Stadtbau) errichtet und im Bestand behalten werden und dadurch auch nach Ablauf der Bindungsfristen bezahlbar bleiben, muss die Frage nach den notwendigen Kapazitäten anders gestellt werden: Wie kann die Gründung neuer genossenschaftlicher Wohnungsunternehmen angeregt und unterstützt werden, um das erforderliche Volumen an dauerhaft bezahlbaren Mietwohnungen zu erstellen?
Zum Beispiel: In Zürich mit seinen über 100 Wohnungsgenossenschaften gründen diese oft neue Genossenschaften für ein größeres Bauvorhaben. In Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg rief die Wohnungsnot eine große Welle genossenschaftlicher und kommunaler Neugründungen hervor, auch in Freiburg. Rom ist nicht an einem Tag erbaut worden: Der Neubau der anvisierten rund 8.000 Wohnungen in Freiburgs neuen Baugebieten wird sich mindestens über die kommenden 10-20 Jahre hinziehen. Auch wir wollen die einzigartige Chance nutzen, die sich in den kommenden Jahren für die Gründung neuer Mietshausprojekte bietet und durch Bildungsarbeit und Beratung den neuen Projektinitiativen beim Start behilflich sein.
Ja, es soll schnell gehen, schreiben Sie. Im Baugebiet Gutleutmatten Ost war das genossenschaftliche 3HäuserProjekt mit rund 50 Mietwohnungen nicht das schnellste, aber – trotz massiver Hürden bei der Gewährung von Wohnbaufördermitteln – deutlich schneller als die benachbarten Bauvorhaben sowohl der Stadtbau und als auch der Wohnbau Baden AG (WOBAG). Letztere war allerdings in einer Hinsicht unschlagbar schnell. Dessen Vorstand Herr Ruppenthal erklärte stolz beim Ersten Spatenstich, der ganze Komplex mit 100 % geförderten Sozialmietwohnungen und 25 Jahren Bindungsfrist sei bereits an einen anderen Kapitalanleger veräußert worden. Vermutlich mit einer zweistelligen Gewinnspanne. Glückwunsch für Herrn Ruppenthal und seine AktionärInnen! Nicht so gut für die MieterInnen ab dem Ende der Bindungsfrist.
Offene Fragen Ihrerseits können wir gerne in einem Gespräch klären.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Stefan Rost Helma Haselberger