Sehr geehrte Damen und Herren,
haben Sie das jemals durchgerechnet? Sollte der Gemeinderat dem Appell von Herrn Baubürgermeister Haag folgen (BZ 10.12.15) und die 50-Prozent-Regelung für geförderte Mietwohnungen zurücknehmen, werden z.B. im zukünftigen Baugebiet Dietenbach von geplanten 5000 Wohnungen ganze 750 (!) Wohnungen (15 %) als geförderte Mietwohnungen errichtet. Denn die frühere Regelung schreibt zwar 30% geförderte Wohnungen vor, davon aber die Hälfte als Eigentumswohnungen, also auch 15 Prozent! (.pdf)
Das Ergebnis der Bebauung naturnaher Flächen mit einem neuen Stadtteil wäre dann – neben den 750 bezahlbaren Wohnungen – also 4250 Wohnungen von insgesamt 5000 Wohnungen (!), die entweder als teure Eigentumswohnungen oder als hochpreisige freifinanzierte Mietwohnungen auf den Markt kämen. Ist das nicht eine ausgesprochen magere soziale Ausbeute für das Baugebiet Dietenbach? Ganze 750 Wohnungen mit Mieten von dann etwa 7-8 €/m2 gegenüber 4250 Wohnungen für Menschen mit mindestens 6-stelligem Eigenkapital, die von den Wohnungseigentümer zwar auch vermietet werden können, falls kein Eigenbedarf vorliegt; dann aber mit Mieten deutlich über 10 €/m2, vermutlich zwischen 12-16 €/m2, da die Mietpreisbremse bei der Erstvermietung von Neubauwohnungen nicht gilt!
Nach einer Auswertung des Internetportals IMMOWELT (Spiegelonline 15.12.15) hat in den Großstädten der Ballungsräume etwa die Hälfte der Bevölkerung Anspruch auf eine geförderte Mietwohnung: Das sind auch für Freiburg etwa 50 % – und nicht 15 %, die beschlossene Quote ist also genau richtig. Da ist noch nicht einmal der gesteigerte Bedarf für die Flüchtlinge und andere Menschen in Wohnungsnot erfasst!
Es überrascht nicht wirklich, wenn die Oligarchen der Bauwirtschaft nicht müde werden die 50-Prozent-Regelung zu attackieren mit dem originellen Argument, geförderter Mietwohnungsbau sei unwirtschaftlich und ein Markthemmnis. Klar wollen die lieber ihren Kapitalanlegern eine stattliche Rendite versprechen. Ein Blick in das aktuelle Baugebiet Gutleutmatten aber zeigt, dass bei vergleichbaren Ausschreibungsbedingungen mit 50 % gefördertem oder gebundenem Mietwohnungsbau die Investoren Schlange stehen und sich bis zu 10-fach auf die Grundstücke bewerben – wenn es denn sein muss! Das konnten wir an Hand von Gemeinderatsdrucksachen in unserem Offenen Brief an Stadtverwaltung und Gemeinderat belegen, den Sie, Herr Baubürgermeister, bis heute nicht beantwortet haben.
Auch könnte eine besondere Berücksichtigung von Kleingenossenschaften, wie sie bisher nur für die privateigentumsorientierten Baugruppen vorgesehen ist, eventuelle Lücken schließen. Auch eine Erweiterung der Kapazitäten der Freiburger Stadtbau durch Kooperation mit selbstorganisierten „Huckepackprojekten“ könnte an Erfahrungen in anderen Städten anknüpfen – die zwar weit weg wie die etwa hunderte von Kilometern entfernten Städte Hamburg, München und Berlin, aber per Telekommunikation erreichbar und immerhin noch im Geltungsbereich der deutschen Rechtsprechung.
Die Abschaffung der 50-Prozent-Regelung, die Sie, Herr Baubürgermeister, und die Stadtverwaltung befürworten, bedeutet ganz konkret am Beispiel Dietenbach auch Folgendes: Wenn von 2500 potentiell geförderten Mietwohnungen, wie sie jetzt vorgesehen wären, nur noch 750 Wohnungen bleiben, wird für die übrigen 1750 Wohnungen auf die Fördermittel aus den Landeswohnungsbauprogrammen verzichtet werden – mit dem Segen der Stadtverwaltung. Die Fördermittel für eine 80-m2-Wohnung betragen rund 200.000 € zinsfrei für 25 Jahre; sie summieren sich bei 1750 Wohnungen auf 350 Millionen Euro auf! Will die Stadtverwaltung wirklich darauf verzichten und stattdessen die Baufinanzierung über Kapitalmarktdarlehen ohne Sozialbindung präferieren – damit die Bauoligarchen bei Laune bleiben! Wäre das nicht sehr bedauerlich für die für 1750 Miethaushalte, die dann keine bezahlbare Wohnung finden?
Auf welchen zusätzlichen Neubauflächen will die Stadtverwaltung denn die benötigten Mietwohnungen bereitstellen? Mit der 50-Prozent-Quote entstehen im Dietenbach 2500 geförderte Mietwohnungen. Mit der früheren 15-Prozent-Quote sind es nur 750 Wohnungen, also braucht es zusätzlich zwei weitere Baugebiete von der Größe Dietenbachs (750 + 750 + 750 = 2250) sowie ein halbes Baugebiet von der Größe Gutleutmattens (500 / 2 = 250). Das wäre absurd: Drei und ein Drittel neue Baugebiete wie Dietenbach, wollen Sie das? Wir wollen, dass die 50-Prozent-Quote bleibt!
Baugebiete sind keine nachwachsenden Rohstoffe.
Gerne beraten wir Sie bei den Fragen der praktischen Umsetzung und möchten Sie schon im Voraus zu unseren Veranstaltungen und Workshops zum Dietenbach und anderen Neubaugebieten einladen, über die wir Sie rechtzeitig informieren werden.