Sehr geehrte Damen und Herren,
wir danken der Geschäftsleitung der Freiburger Stadtbau GmbH für ihre detaillierte Stellungnahme, insbesondere zu unserem Rechenbeispiel für geförderten Mietwohnungsbau. (unsere Stellungnahme als .pdf)
„Niemand kann ständig das Gesetzbuch unterm Arm tragen“ sagte einst ein Innenminister und verlor darüber fast sein Amt (H. Höcherl, Abhöraffäre 1963). Auch das Handelsgesetzbuch HGB ist ein unhandlicher, schwerer Wälzer, sollte aber bei Gewinnermittlung und Bilanzen beachtet werden (auch wenn es sich nicht um Minister, sondern um die Geschäftsleitung eines kommunalen Wohnungsunternehmens handelt). – Hatten wir uns verrechnet? Wie kommt die Stadtbau bei gleichen Ausgangszahlen zum gegenteiligen Ergebnis, nämlich zu einem Fehlbetrag von 1,44 €/m² statt zu einem Überschuss von 1,00 €/m²? Das ist eine Differenz von 2,44 €/m² Wohnfläche u. Monat!
1. Gewinnermittlung
Wenn wir unsere Wirtschaftlichkeitsberechnung (links) und die der Stadtbau (rechts) in einer Tabelle nebeneinander stellen (und nicht auf zwei verschiedenen Seiten hintereinander), fällt ins Auge, dass die Stadtbau eigentümlicher Weise den Posten „Eigenkapitalverzinsung“ bei den Ausgaben aufgelistet hat (dunkelgrau hinterlegt rechts), der dann als „Kosten“ die Miete von vornherein mit 2,06 €/m² belastet.
Das kann man so darstellen. Es wäre aber nett gewesen, wenn die FSB dazu geschrieben hätte, dass ihre „Vergleichsrechnung“ in entscheidenden Punkten vom Rechenansatz des Bauvereins „Wem gehört die Stadt?“ abweicht (und auch vom L-Bank-Rechenschema für geförderten Mietwohnungsbau sowie von den HGB-Vorschriften zur Gewinnermittlung). Bei der Rechnung des Bauvereins, der L-Bank und nach HGB ist nämlich der Gewinn bzw. die Eigenkapitalverzinsung keine Ausgabe; sondern es werden wie im richtigen Leben die wirklichen Ausgaben von den Einnahmen abgezogen. Erst was dann übrig bleibt ist der Überschuss oder Gewinn; daraus errechnet sich, bezogen auf das Eigenkapital, die Eigenkapitalverzinsung. – Wenn man wie die Stadtbau von vornherein den erwünschten Gewinn von 3 % Verzinsung des Eigenkapitals als „Kosten“ in Rechnung stellt, kann nur ein negativer Betrag herauskommen. Womit die Stadtbau ihre These, dass geförderter Mietwohnungsbau unwirtschaftlich sei, „bewiesen“ hätte.
Hingegen errechnet sich bei einer seriösen Gewinnermittlung ein Überschuss von 1,00 €/m², das ergibt, bezogen auf das eingesetzte Eigenkapital, eine Eigenkapitalverzinsung von 1,14 % schon im ersten Jahr nach Bezugsfertigkeit. Die ist bescheiden, liegt aber deutlich im positiven Bereich (und entspricht etwa der Durchschnittsverzinsung der Direktkredite).
Trotzdem hat ein Run auf die Grundstücke im Investorensegment von Gutleutmatten stattgefunden, bei denen ja generell eine Quote von 50 % geförderter oder gebundener Mietwohnungsbau vorgeschrieben war. Leider hat die FSB in ihrer Stellungnahme vermieden, auf diesen hochinteressanten Aspekt einzugehen.
Für Freiburger Bürger und quasi Miteigentümer des städtischen Wohnungsunternehmens stellt sich die Frage, warum die Stadtbau beim dringend notwendigen Wohnungsbau in den ersten Jahren der Vermietungsphase überhaupt eine höhere Eigenkapitalverzinsung als 1,14 % erwirtschaften will. Reicht nicht eine schwarze Null, wenn die Kosten gedeckt werden? Denn das Eigenkapital der FSB stammt entweder aus Steuergeldern des städtischen Haushaltes oder aber aus Überschüssen aus Vermietung, Wohnungsverkäufen und Bauträgergeschäft, die ja bereits verzinstes Eigenkapital darstellen.
2. Eigenkapitalanteil
Als weiteren Unterschied in der obigen Wirtschaftlichkeitsberechnung der Stadtbau fällt der Posten „Zinskosten E-Darlehen“ auf (hellgrau hinterlegt, rechts oben), der das Ergebnis um 0,38 €/m² weiter verschlechtert. Dieses E-Darlehen wird notwendig, weil die Stadtbau nur den geforderten Mindestanteil von 25 % Eigenkapital einsetzen will, während die Rechnung des Bauvereins „Wem gehört die Stadt?“ 31,8 % Eigenkapital ausweist:
Wir erinnern: Die Stadtbau betont regelmäßig ihre überdurchschnittlich hohe Eigenkapitalquote und begründet Mieterhöhungen auch mit der Notwendigkeit, für den Wohnungsneubau „Eigenkapital zu generieren“. Das Eigenkapital der FSB betrug 2014 laut Jahresbericht rund 126 Mio. €. Bezogen auf die Bilanzsumme von rund 410 Mio. € ergibt das eine Eigenkapitalquote von 30,4 %. Warum wird beim geförderten Mietwohnungsneubau das Eigenkapital nicht mindestens mit dieser Quote eingesetzt?
3. Baukostenermittlung
Anders als die Stadtbau unterstellt, wurden bei den angesetzten Baukosten von 2.600 €/m² Wohnfläche (Gesamtkosten von 3.300 €/m²) weder „der Energiestandard unberücksichtigt gelassen“, noch die erforderlichen Stellplätze. Wie in Gutleutmatten generell vorgeschrieben, ist das 3HäuserProjekt im Energiestandard KfW 55 geplant und ebenso die Quote von einem Stellplatz je Wohnung in den Tiefgaragen unter den Gebäuden berücksichtigt worden. Die sind teuer genug! Die Kosten wurden nicht vom 3HäuserProjekt selbst, sondern von den beauftragten Architekten der Werkgruppe Freiburg ermittelt – die übrigens auch Mietwohnungen im Auftrag der FSB planen und bauen z.B. an der Berliner Allee.
4. Direktkredite und „echtes Eigenkapital“
Im Hinblick auf die Finanzierung durch Direktkredite erklärt die Stadtbau: „Aus unserer Sicht wäre ein solches Modell nach den Förderrichtlinien des Landes nicht förderfähig.“ Tatsächlich werden Direktkredite durch eine Gesetzesänderung nicht mehr als Eigenkapital(-ersatz) anerkannt (anders als in früheren Jahren bei geförderten Projekten des Mietshäuser Syndikats, z.B. Grether, SUSI oder Woge & Arche im Sonnenhof/Vauban). Deswegen wurde in den Verhandlungen des 3Häuserprojekts mit der L-Bank vereinbart, den Eigenkapitalanteil für die geförderten Mietwohnungen nicht durch Direktkredite, sondern durch eine entsprechende Erhöhung des Stammkapitals der Hausprojekt-GmbHs aufzubringen (wobei sich die Hausvereine als GmbH-Gesellschafter über Direktkredite refinanzieren). Die Berichterstattung darüber scheint der FSB entgangen zu sein (z.B. BZ 30.3.2015).
GmbH-Stammkapital ist (ebenso wie Aktien- oder Genossenschaftskapital) zwar immer noch „kein echtes erwirtschaftetes Eigenkapital“, wie es die Stadtbau für erforderlich hält. Denn dieses kann nur aus Gewinnen stammen, die es aber bei der Neugründung durch eine MieterInnen-Initiative noch nicht geben kann; sonst wäre die Mietwohnraumförderung allein auf etablierte Wohnungsunternehmen mit großen Beständen eingeschränkt.
Außerdem möchten wir die Stadtbau höflichst darauf hinweisen, dass ihr eingesetztes Eigenkapital nur zum Teil den strengen Anforderungen entspricht, die sie an das 3HäuserProjekt stellt. Denn im Jahresabschluss 2014 wird Eigenkapital in Höhe von rund 126 Mio. € ausgewiesen; darin enthalten ist ein Posten von rund 39 Mio. € Stammkapital (30,9 %).
5. Ende der Zinsbindungsfrist
Die Stadtbau hat unser Rechenbeispiel noch um eine Wirtschaftlichkeitsberechnung zum Ende der Zinsbindungsfrist ergänzt (rechter Block), mit verheerendem Ergebnis: Das laufende Defizit von 1,44 €/m² und Monat, wie es die Stadtbau rechnet, schnellt dann schlagartig fast auf die dreifache Höhe von 3,98 €/m² und Monat hoch: Denn nach Ablauf der Zinsbindungsfrist fällt der zinslose Förderkredit der L-Bank weg und ein marktüblich verzinstes Bankdarlehen tritt an die Stelle.
Anders als im richtigen Leben, verzichtet die Stadtbau in ihrer Rechnung großzügig auf auch nur ein Cent Mieterhöhung in all den Jahren, und erstaunlicherweise auch auf die übliche „Mietanpassung“ an den Mietspiegel nach Wegfall der Sozialbindung.
Bei so viel Eifer, unsere Kalkulationen als unwirtschaftlich darzustellen, kann man schon mal übersehen, dass für geförderte Mietwohnungen in Gutleutmatten gemäß Vermarktungskonzept nur die Variante mit 25-jähriger Sozial- und Zinsbindungsfrist zulässig ist, und nicht die mit 15-jähriger Frist, mit der die Stadtbau rechnet. (Was schon eigenartig ist, wo die FSB dort selber geförderte Mietwohnungen baut.) Dann kann aus der jährlichen Abschreibung ein Tilgungsbetrag von 52 €/Jahr x 25 Jahre = 1.300 € vom ursprünglichen Förderkredit (2.250 €) abgezogen werden, und es verbleibt eine Restschuld von 950 € (statt 1.575 € in der FSB-Rechnung).
In unserer Prognose berücksichtigen wir den „Häuslebauer-Effekt“: Die Schulden sinken, während das allgemeine Preisniveau steigt. In den vergangenen 25 Jahren ist der Verbraucherpreisindex für Wohnungsmieten um 46 % gestiegen. Rechnen wir sicherheitshalber nur mit 40 %, was einer durchschnittlichen jährlichen Mietpreissteigerung von 1,6 % entspräche. Dann steigt die Miete in 25 Jahren um 2,60 € auf 9,10 €/m² und Monat. Dieser Wert läge dann immer noch deutlich unter der heutigen(!) Mietspiegelmiete von rund 10,00 €/m² in Gutleutmatten.
6. Eigenkapitalaufbringung
Auch wenn diese Renditeaussichten für Investoren und Bauträger nicht den Träumen entsprechen, scheinen sie doch ausreichend Anlagekapital zu mobilisieren: Bei der Ausschreibung für die Grundstücke auf Gutleutmatten sind sie nachweislich Schlange gestanden, trotz vorgegebener 50-Prozent-Quote sozial gebundener Mietwohnungen. Wir können es kaum fassen, wenn die Stadtbau als etabliertes und vor Bonität und Eigenkapital strotzendes kommunales Wohnungsunternehmen mit umfangreichen Wohnungsbeständen beklagt, nicht über die kreativen Möglichkeiten von selbstorganisierten Mietshausprojekten zu verfügen. Falls hier tatsächlich ein Engpass für den Neubau von Mietwohnungen bestehen sollte, müsste bei der Stadtbau neben Wirtschaft und Technik dringend ein drittes Geschäftsfeld zur Beschaffung von Eigenkapital eingerichtet werden. (Es muss gar kein dritter Geschäftsführer eingestellt werden, ein Prokurist genügt). Zum Einstieg ins Thema könnten wir der Stadtbau einen Kreativ-Workshop anbieten und sie aufklären.
„Die Vorstellung, dass Mieter für eine 80 m²-Wohnung eine Mieterdarlehen in einer Größenordnung von 80.000 € erbringen – wohlgemerkt für eine Mietwohnung – und dies zudem evtl. zinslos zur Verfügung stellen müssten“,
hält die Stadtbau für „abwegig“. Wir auch. Unsere Projekte sind „barrierefrei“ für Menschen ohne Eigenkapital. Denn dieses wird eingebracht in Form von vielen kleinen Direktkrediten von UnterstützerInnen, die mit ihrem Geld nicht das Geschäftsmodell der Wachstums- und Gewinnsteigerung finanzieren, sondern eine soziale und nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung unterstützen wollen. Auch Bauprojekte der Stadtbau könnten attraktiv werden, wenn der Gemeinderat sich dazu durchringt, z.B. in den neuen Baugebieten exemplarisch Transparenz, Partizipation und dauerhafte soziale Bindung dem jeweiligen Haus- oder Quartiersverein der MieterInnen vertraglich zuzusichern.
Mit freundlichen Grüßen
Bauverein „Wem gehört die Stadt?“ e.V.
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