An die Mitglieder des Freiburger Gemeinderates.
Sehr geehrte Damen und Herren!
1. Entgegen etwaigen anders lautenden mündlichen Äußerungen in gemeinderätlichen Ausschüssen wird die Stadtverwaltung selbstorganisierten Mietshausprojekten wie denen des Mietshäuser Syndikats oder anderer Kleingenossenschaften keinen Bonus als „Baugemeinschaft“ gewähren. So ist es jedenfalls heute der Berichterstattung der Badischen Zeitung zu entnehmen:
„…Denn die Stadtverwaltung definiert eine Baugemeinschaft als eine Gruppe von ortsansässigen Eigentümern, die gemeinsam ein Haus bauen und zu mindestens 75 Prozent selbst darin wohnen…Nur mit dem Einheimischenmodell ließe sich die bevorzugte Behandlung rechtlich begründen…In jedem Fall bleiben die Bewohner bei den selbstorganisierten Projekten des Syndikats aber Mieter – und sind keine Eigentümer. Dadurch sei es nicht gerechtfertigt, auch das Mietshäuser Syndikat wie die Baugruppen zu behandeln, sagt die Stadtverwaltung: Das Ziel sei, die Bildung von Wohneigentum zu fördern.“
Das überrascht nicht wirklich, denn diese Aussage deckt sich mit dem Text in der Abstimmungsvorlage zum Vermarktungskonzept Gutleutmatten.
2. Im gleichen Artikel geht die Stadtverwaltung auch auf das von uns angeführte aktuelle Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 8. Mai zur Bevorzugung durch die sogenannten „Einheimischenmodelle“ ein:
„Das Urteil sei für die Grundstücksvergabe in Gutleutmatten nicht relevant, sagt Rathaussprecher Toni Klein.“
Das sagt sich leicht daher. Aber auch wenn man ein Rechtsamt an seiner Seite hat, könnte es durchaus passieren, dass ein Gericht anders urteilt als die Stadtverwaltung: Siehe Unmüssigs stillgelegtes Europa-Eck oder die Räumungsklage der Stadtbau in der Johann-Sebastian-Bach-Straße. Wir jedenfalls haben das Urteil gründlich gelesen: Der EuGH erklärt genau diese pauschale Bevorzugung von Einheimischen als Verstoß gegen EU-Recht.
„(Denn) solche Bedingungen können nicht nur von dieser am wenigsten begüterten Bevölkerung erfüllt werden, sondern auch von anderen Personen, die über ausreichende Mittel verfügen und folglich keinen besonderen Bedarf an sozialem Schutz auf dem Immobilienmarkt haben.“
„Das Gericht erklärte aber auch, dass soziale Kriterien, die darauf zielen, die Wohnbedürfnisse der ärmeren Bevölkerung zu sichern, nach dem EU-Recht für den Wohnungsbau in den Kommunen ausdrücklich erlaubt seien.“ (Verlautbarung der Europäischen Kommission vom 8.5.2013)
Dazu führt der EuGH aus:
„Denkbar wären…speziell zugunsten der am wenigsten begüterten Personen konzipierte Arten von Beihilfen, um insbesondere denjenigen, die ein schwaches Einkommen nachweisen können, den KAUF oder die MIETE von Liegenschaften in den Zielgemeinden zu ermöglichen.“ (Hervorhebung von uns)
3. Nach wie vor beanspruchen wir auch für selbstorganisierte Mietshausprojekte die Möglichkeit, sich im neuen Baugebiet auf die nur für Baugemeinschaften reservierten 30 % der Flächen bewerben zu können.
Denn diese weisen Grundstücke mit Gebäudetypen aus, die besonders auf Baugemeinschaften zugeschnitten sind, sowohl von der Lage her als auch von der Größe (mit jeweils ca. 8-12 Wohnungen auf etwa 1000 m² Wohnfläche).
Außerdem werden Baugemeinschaften deutlich längere Kaufoptionsfristen (6-10 Monate) zugestanden, wie sie selbstverständlich auch von selbstorganisierten Mietshausprojekten benötigt werden. Das gilt auch für eine Bewerbung im allgemeinen 40-%-Segment für Bauträger, Investoren und Baugemeinschaften.
4. Wir weisen nochmal darauf hin, dass im EuGH-Urteil ausdrücklich von Eigentum und MIETE die Rede ist, also nicht eine spezielle Besitzform vorausgesetzt wird.
Wir ersuchen den Gemeinderat, in der Sitzung am 23. Juni beim Vermarktungskonzept Gutleutmatten die diskriminierenden Passagen über Mietshausprojekte zu entfernen und diese als Baugemeinschaften anzuerkennen, und allgemein dem EuGH-Urteil Rechnung zu tragen:
„…dass diese Regelung für die Erreichung des Ziels, ein ausreichendes Wohnangebot für einkommensschwache Personen oder andere benachteiligte Gruppen der örtlichen Bevölkerung sicher zu stellen, erforderlich und angemessen ist.“
Mit freundlichen Grüßen
BAUVEREIN „Wem gehört die Stadt“
Wohnungspolitische Initiative im Mietshäuser Syndikat
Im Auftrag
Helma Haselberger, Stefan Rost
Links:
Presseerklärung der Europäischen Kommision
http://ec.europa.eu/deutschland/press/pr_releases/11371_de.htm
Urteil des EuGH
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=137306&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=2135945
Weitere Infos zum Gutleutmatten:
- Kippt EU-Gerichtshof-Urteil das Vermarktungskonzept Gutleutmatten im Segment der Baugemeinschaften? – Bonus auch für Mietshausprojekte möglich. (15.07.2013)
- Jetzt geht’s los, das Siedlungsprojekt Gutleutmatten (17.06.2013)
- Kein Platz für selbstorganisierte Mietshausprojekte in Gutleutmatten? (10.06.2013)
- Siedlungsprojekt Gutleutmatten Einladung zur Informationsveranstaltung (20.04.2013)
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