Offener Brief | Pressemitteilung
An den Aufsichtsrat
der Freiburger Stadtbau GmbH
Bauvorhaben Johann-Sebastian-Bach-Straße: „Kompensationsvorschlag“ der Grünen
Sehr geehrte Frau Stadträtin, sehr geehrter Herr Stadtrat,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
als Mitglied des Aufsichtsrates der Freiburger Stadtbau GmbH haben Sie den „Kompensationsvorschlag“ der Grünen Gemeinderatsfraktion zur Joh.-Seb.-Bach-Straße sicher mit Interesse zur Kenntnis genommen und sorgfältig geprüft (Email an OB vom 31.3.2011). Vielleicht ist auch Ihnen etwas Merkwürdiges an diesem Vorschlag aufgefallen.
Ausgangspunkt ist der geplante Abriss von 95 „Kleinrentnerwohnungen“ in der J.S.Bach-Straße in Herdern zu Gunsten einer Neubebauung mit teuren Miet- und Eigentumswohnungen. Zum Ersatz wollen die Grünen an anderer Stelle öffentlich geförderte Sozialmietwohnungen für SeniorInnen bauen lassen, z.B. in der Lamaystraße in Zähringen.
Kernstück des Vorschlages ist ein quasi kostenloses Grundstück, das die Stiftungsverwaltung dort im Erbbaurecht zur Verfügung stellen soll. Da der Stiftungszweck die Förderung von alten und bedürftigen Einwohnern Freiburgs ist, kann auf den Erbbauzins verzichtet werden, wie es schon bisher in der J.S.Bach-Straße der Fall ist. Dann blieben die Kosten des Ersatzprojektes im vertretbaren Rahmen.
Hintergrund ist die Ansicht der Stadtverwaltung, dass „…eine Berücksichtigung von öffentlich gefördertem Mietwohnungsbau…(in der J.S.Bach-Straße) bedauerlicherweise nicht in Frage kommen kann.“ (Schreiben des Oberbürgermeisters vom 24.4.2011 an die Fraktion der Grünen).
Herr Klausmann, der Geschäftsführer der Freiburger Stadtbau GmbH, nannte uns im Gespräch am 11. Mai die folgende Begründung: Der hohe Bodenpreis in Herdern, in Verbindung mit der geringen baulichen Ausnutzung des Grundstückes, ergäben eine zu hohe Kostenbelastung für die Wohnflächen der Sozialmietwohnungen.
In der Tat beträgt die Belastung der Mieten durch den regulären Erbbauzins von 130.000 € pro Jahr bei 4.200 m² Wohnfläche einen Sockelbetrag von 2,60 €/m² monatlich, das ist nicht wenig.
Wenn aber – so fragen wir Sie – die Errichtung von Sozialwohnungen für SeniorInnen in Zähringen wirtschaftlich möglich ist, durch ein kostenloses Erbbaurecht, warum ist sie dann nicht in Herdern in der Joh.-Seb.-Bach-Straße möglich, wo die Stiftung bereits seit 60 Jahren ein kostenloses Erbbaurecht zum gleichen Förderzweck zur Verfügung gestellt hat? Ist aber der Erbbauzins Null, egal ob in Zähringen oder Herdern, fällt die Begründung der Stadtbau in sich zusammen.
Könnte es tatsächlich sein, dass die Stadtbau von vornherein die Hochpreis-Neubau-Variante festgelegt und andere Varianten kaum untersucht und ausgeblendet hat? Also die Altenwohnungs-Neubau-Variante genauso wie das „Bestandsmodell“ mit energetischer Sanierung und behutsamen Ausbau angepasst an die Altbauten, so wie wir es vorgeschlagen haben?
Wie bewertet der Aufsichtsrat die Mitteilung von Herrn Klausmann an Herrn Aufsichtsrat Friebis im Jahre 2010, dass die Stadtbau grundsätzlich auch sozialen Wohnungsbau errichten werde, wenn dafür die notwendigen Mittel von Land und der Stadt bereitgestellt werden? Ist dem Aufsichtsrat bekannt, ob und welche Schritte die Stadtbau dafür unternommen hatte?
Wir sind gespannt, welche Antworten Sie, die Mitglieder des Aufsichtsrates, auf Ihre Fragen erhalten werden und ob diese Antworten den Weg aus der Nichtöffentlichkeit des Aufsichtsrates an das Licht der Öffentlichkeit finden.
Nur noch eine letzte Frage: Wie gedenkt die Stadtbau damit umzugehen, dass die neue grün-rote Landesregierung neue Fördergelder zur Verfügung stellen wird? Mit dem Bau geförderter Wohnungen darf nicht begonnen werden, bevor die Förderbescheide erteilt wurden. Deshalb bedarf es eines Planungs- und Vergabestopps, bis die neuen Förderprogramme und Richtlinien des Landes vorliegen.
In dieser Zeit könnte auch das „Bestandsmodell“ unserer Baugruppe „Wem gehört die Stadt“ weiter bearbeitet und geprüft werden, selbstver-ständlich im Rahmen einer öffentlichen Debatte um die verschiedenen Alternativen zum Bauprojekt Joh.-Seb.-Bach-Straße. So möchten wir auch in Gesprächen die Mitglieder des Aufsichtsrates der Stadtbau von den Vorzügen unserer Variante überzeugen, vor allem die Folgenden:
1. Der Stadt Freiburg stehen unschlagbar kostengünstig bezahlbare Mietwohnungen von rund 4.000 m² Fläche für MieterInnen mit niedrigen Einkommen zur Verfügung.
2. Die Verdrängung gering verdienender MieterInnen wird verhindert; insbesondere werden modellhaft die Ziele des Grünen Parteitags vom November 2010 in Freiburg auch in Freiburg umgesetzt:
„Wir wollen bezahlbaren Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten erhalten, Entmischungen von Stadtteilen vermeiden, gleichzeitig den Gebäudebestand energetisch sanieren und barrierefrei bzw. altersgerecht umbauen.“
http://www.gruene-partei.de/cms/default/dokbin/362/362225.v17wohnraum_in_deutschland_zukunftsfaehi.pdf
„NIMM 2“: Auch der von den Grünen vorgeschlagene Neubau von geförderten Sozialwohnungen für gering verdienende SeniorInnen in der Lamaystraße in Zähringen ergibt eine gute Ergänzung zum Bestandsmodell in der J.S.Bach-Straße: Die Stadtbau beschränkt sich auf ihr Kerngeschäft, der für Herdern geplante hochpreisige Neubau wird storniert und die Mittel werden ausschließlich zur Umsetzung der Satzungsziele eingesetzt:
„Die Gesellschaft der Stadtbau und ihre Organe…verfolgen in allen Geschäftsbereichen die zur Verfügungstellung von preiswertem Wohnraum im Stadtgebiet Freiburg, sowie die Versorgung einkommensschwacher Bevölkerungsteile, alleinerziehender Eltern, Arbeitsloser, Obdachloser und Jugendlicher.“
Im Ergebnis hat die Stadt Freiburg doppelt so viel bezahlbare Wohnfläche für Menschen mit geringem Einkommen – eine echte win-win-Situation. Wir sind gespannt auf ein Gespräch mit Ihnen und beantworten gerne Ihre Nachfragen. (Email oder 0151-21739701)
Mit freundlichen Grüßen
Baugruppe „Wem gehört die Stadt?“
Im Auftrag
Stefan Rost